Die Kohlen in der der Esse flüsterten etwas in ihrer zischenden Sprache. Ihr rotgoldenes Glimmen vereinnahmte den ganzen Raum, tauchte Regale und Bücher ebenso in warmes Licht wie das Gesicht der Autorin. Die Autorin betrachtete das schmale Tongefäß über den Kohlen. Wenngleich sich kleine Schweißperlen über ihren Lippen gebildet hatten, zeichnete sich darauf ein Lächeln ab. Bald würde es fertig sein.

Aber noch hieß es warten. Sie sank zurück in ihren Ohrensessel, ließ sich tief von den Kissen hineinziehen in ihre weiche Geborgenheit. Von hier aus hatte die Autorin alles im Blick. Der Sessel schmiegte sich in die einzig freie Ecke zwischen den Regalen, in denen die Autorin ihre Schätze aufbewahrte.

Bücher.

In allen denkbaren und nicht denkbaren Farben reihten sie sich aneinander, füllten jedes Regalbrett bis hinauf zur Decke und stapelten sich gar auf dem Boden zu verschlungenen Türmen, wo es keinen Platz mehr im Regal gab. Hätte es Fenster oder Türen gegeben, so wären sie sicher hinter all den Büchern verschwunden. Doch dieser Ort brauchte weder Fenster noch Türen. Das Licht der Esse in der Mitte des Raumes verlosch niemals und die Autorin schmunzelte über den Gedanken, dass jemand annehmen konnte, durch eine Tür an diesen Ort zu gelangen.

Erneut vernahm die Autorin das Wispern der Kohlen, lauter dieses Mal. Es war Zeit. Ihr Lieblingssessel knartschte wehmütig, als sie sich erhob. Vor der runden Esseschale, in der die Kohlen rauchlos glühten, blieb die Autorin stehen, um einen letzten, prüfenden Blick in das Gefäß zu werfen. Darin brodelte es in Silber und Türkis. Perfekt. Behutsam umfasste die Autorin das vasenförmige Gefäß mit beiden Händen. Eine sanfte Wärme kitzelte in ihren Fingerspitzen und strömte durch ihren Körper, als sie das Behältnis von den Kohlen hob und sich der Gussform zuwandte. Sie neigte das Gefäß, bis die glänzende Flüssigkeit herausfloss und sich in der Form sammelte. Die letzten Silbertropfen zierten sich, tanzten über den gewölbten Rand des Behältnisses, nur um sich dann doch hinabzustürzen.

Eine kleine Falte bildete sich auf der Stirn der Autorin, als sie ihr Werk betrachtete. Noch flossen die einzelnen Zutaten willkürlich ineinander, ließen kaum erahnen, was aus der quadratischen Form einmal werden würde. Rinnsale aus Silber wanden sich durch wechselnde Nuancen aus Türkis. Manch einer behauptete, der Faden, der sich durch eine Geschichte zog, sei rot. Doch wer die Magie der Worte kannte, wusste, dass jede Geschichte ihre eigenen Farben wählte. Rot wie der Morgen über einer neuen Welt und wie die Kissen auf dem Lieblingssessel der Autorin. Oder silbern wie die Klinge eines Kriegers, die im Zweikampf mit dem Feind erbebt.

Fünf, sechs Herzschläge lang beobachtete die Autorin, wie sich der Faden aus flüssigem Silber kräuselte, Worte formte und mit dem Türkis verschmolz. Dann war es still. Nicht einmal die Kohlen wagten es zu zischen, so als hielten sie andächtig den Atem an. Mit wenigen geübten Handgriffen löste die Autorin die Gussform von ihrem Werk. Zärtlich strich sie mit den Fingern über den Einband, dessen Farbe an einen Bergsee im frühlingstrunkenen Sonnenschein erinnerte. Silberne Lettern zeichneten ihren Namen darauf und pulsierten im Takt eines Herzschlags.

Endlich war es fertig.

Geschaffen aus Magie und Worten.

Das Buch.